Welche Kameratechnologie bietet welchen Kundennutzen?

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Moderne Megapixel-Kameras bilden stets das Gesamtbild ab. Vor allem bei Zoomvorgängen fehlt es aber in den hinteren Bildbereichen oftmals an der nötigen Detailauflösung.

Unter Herstellern und Errichtern, aber auch bei Security-Verantwortlichen wird regelmäßig und fleißig diskutiert, welche Kameratechnologie denn nun den höchsten Kundenutzen bei den videotechnischen Aufgaben der Beobachtung, Überwachung und Analyse bietet.

Natürlich gibt es keine einfache Antwort auf die eingangs gestellte Frage. Zu unterschiedlich sind die Einsatzbereiche und die Ziele, die Anwender erreichen wollen. Geht es etwa darum, große, aber meist leere Flächen oder weite Strecken möglichst kostengünstig zu erfassen und lediglich Vorgänge zu erkennen? Oder sollen die Systembediener in der Live-Beobachtung auch in komplexen Situationen mit vielen gleichzeitigen Vorgängen den Überblick behalten? Ist es wichtig, hochauflösende Aufzeichnungen aller Bildbereiche zu erhalten oder reicht es aus, in bestimmte Bildbereiche bei Bedarf hineinzoomen zu können? Wie sieht es mit den Analyseanforderungen aus: Sollen die Kameras nur beobachten oder aufzeichnen, oder auch Vorgänge analysieren, Objekte klassifizieren und verfolgen? Und natürlich schlussendlich: Wie stellt sich die Kostensituation für die unterschiedlichen Lösungen dar?

PTZ: Das Fernrohr – mit offenen Fragen beim Datenschutz

Bekanntlich steht die Abkürzung „PTZ“ für die englischen Begriffe „Pan“, „Tilt“ und „Zoom“, also „schwenken“, „neigen“ und „zoomen“. Dank dieser drei Funktionen können PTZ-Kameras Objekte und Personen erfassen und zur genaueren Identifizierung ausgewählte Bildausschnitte durch optisches Zoomen vergrößern. PTZ-Kameras finden vor allem in der Live-Videoüberwachung Verwendung. Sie helfen Sicherheitsverantwortlichen beispielsweise an Flughäfen oder in Stadien dabei, Vorgänge im Detail zu verfolgen und so zeitnah zu intervenieren. Allerdings bleiben Tatbestände und Ereignisse, die außerhalb des gegenwärtig im „PTZ-Fokus“ liegenden Bereiches vorfallen, undetektiert, da sie die PTZ-Kamera nicht erfasst und aufzeichnet.

Gerade in hochfrequentierten Bereichen kann dies ein Problem darstellen. Ein Systembediener kann pro Kamerasystem zudem immer nur eine Detailansicht genauer betrachten. In komplexen Situationen oder Lagen benötigt man daher theoretisch genauso viele PTZ-Systeme, wie Vorfälle stattfinden, was natürlich nicht realistisch ist. Zudem sind PTZ-Kameras zur Analyse ungeeignet, da sich Bildausschnitt und Auflösung – also die Datenqualität – ständig ändern. Wenn das Bild in den Hintergrund und die Daten in den Vordergrund treten, ist das natürlich ein Nachteil.

Und nicht zuletzt geht es auch noch um Datenschutzbelange – häufig lassen sich mit PTZ-Systemen die Datenschutz-
anforderungen, wie etwa das „Privacy Masking“ bestimmter Bildbereiche, nur unzulänglich erfüllen und die Systembediener betrachten Dinge, die sie nicht sehen sollen.

Single-Sensor-Kameras: Herausforderung „Auflösung in der Tiefe“

Anders verhält es sich bei modernen Megapixel-Kameras. Diese bilden stets das Gesamtbild ab. Hochwertige Megapixel-Kameras bieten heute schon eine sehr gute Qualität und ermöglichen es, große Areale zu überblicken. Die Grundproblematik der Physik aber bleibt und lässt sich auch mit einer noch so hohen Sensor-Auflösung nicht lösen: Megapixel-Kameras beobachten und zeichnen bestimmte Szenen, zum Beispiel im hinteren Bildbereich, in wesentlich geringerer Auflösung auf als den vorderen Bildbereich. Dabei möchte man aber in sehr vielen Anwendungsfällen eine bestimmte Mindestauflösung, die die Kamera auf der gesamten Fläche oder Strecke nicht unterschreitet. Also zum Beispiel mindestens 250 Pixel pro Meter (px/m) für gerichtsverwertbare Aufnahmen von Gesichtern oder 62,5 px/m für die Analyse größerer Objekte wie Fahrzeuge oder Personen, wie in der DIN EN 62676-4 beschrieben.

Das bedeutet, dass die Kamera die wertvolle Ressource „Auflösungsdichte“ im vorderen Bildbereich inflationär „verschwendet“, während sie im hinteren Bildbereich fehlt. Alternativ wäre natürlich denkbar, mit zusätzlichen Kamerasystemen beziehungsweise vielen kleineren Kameras mit unterschiedlicher Brennweite zu arbeiten. Diese so zu integrieren, dass Systembediener sich damit einen wirklich nutzbaren hochauflösenden Gesamtüberblick verschaffen können, stellt aber mit den bestehenden VMS-Systemen ein höchst aufwendiges, zumeist hoffnungsloses Unterfangen dar. Neben physikalischen Gegebenheiten bei zahlreichen separat aufgehängten Kameras würde sich auch noch die Aufgabe der Synchronisation von Bild, Zeit und diverser weiterer Parameter sowie der Kalibrierung eines solchen Systems stellen.

Ähnlich verhält es sich bei der Kombination mehrerer großer Megapixel-Systeme, wobei hier aufgrund der beschriebenen „Überkompensation“ von Auflösung schnell die Hardware- und Infrastrukturkosten aus dem Ruder laufen und sich Bandbreite-Problematiken ergeben, die auch bestehende
1 Gbit/s-Netze an ihre Grenzen bringen. Das gilt auch für die Planung, die schnell einen nicht mehr zu vertretendem Aufwand erreichen würde.

Analyse: „Müll rein – Müll raus“

Das Problem „Mindestauflösung für leistungsfähige Analyse“ bleibt bei klassischen Single-Sensor-Kameras ebenfalls unbefriedigend gelöst, da bei zu geringer Auflösung natürlich auch analog dazu die Qualität der Analyseergebnisse leidet. Hier zeichnet sich der Nachteil der physikalischen Grundlagen besonders gravierend ab. Gemäß des bekannten Daten-
analyse-Grundsatz „Garbage (Müll) in –
Garbage out“ können die Ergebnisse datenverarbeitender Systeme eben nur so gut sein, wie die Qualität der Ursprungsdaten. Und für gute Ergebnisse aus der Videoanalyse ist das wesentliche Kriterium für diese Datenqualität eine für die jeweilige Analyseanforderung passende (und idealerweise bereits in der Planung spezifizierbare) Mindestauflösung.

Kombinationslösungen und Multi-Sensorsysteme

Aufgrund der oben beschriebenen Nachteile von PTZ- und Single-Sensorkameras bei der Überwachung von großen Flächen und langen Strecken gehen viele Integratoren den Weg, PTZ- und Single-Sensorsysteme zu kombinieren. Noch einen Schritt weiter gehen „Multi-Sensorsysteme“, bei denen mehrere Sensoren und Objektive in einem Gehäuse angeordnet sind, meist in einem 180- oder 360-Grad-Winkel. Anwender kombinieren Multi-Sensorsysteme gerne mit einem oder mehreren PTZ-Systemen, um zum Beispiel bei einem Vorfall im Gesamtzusammenhang einen vergrößerten Ausschnitt hochaufgelöst betrachten zu können. Die oben genannten Nachteile – geringe Auflösung in entfernten Bildbereichen, keine hochauflösende Aufzeichnung der Gesamtszene und damit häufig keine Gerichtsverwertbarkeit, eine begrenzte Anzahl an Zoom-Möglichkeiten, nicht ausreichende Datenqualität für Analyse über die gesamte Fläche oder Strecke – können jedoch auch diese Systeme nicht zufriedenstellend auflösen.

Große Unterschiede: Multi-Sensor ist nicht gleich Multifocal-Sensor

Die patentierte Multifocal-Sensor (MFS)-Technologie schließlich beansprucht für sich, die Vorteile der PTZ- und der Megapixel-Systeme in einem System zu vereinen. Dabei kombiniert sie mehrere Objektive und Sensoren („Multi“), die alle über eine unterschiedliche Brennweite („Multifocal“) verfügen, in einer einzigen optischen Einheit beziehungsweise in einem Gehäuse. Die Sensoren decken dabei unterschiedliche Bildbereiche mit unterschiedlichen Brennweiten ab. So können MFS-Systeme auch den hinteren und mittleren Bildbereich mit der gleich hohen Mindest-Auflösungsdichte abbilden wie Szenen im Vordergrund.

Eine leistungsfähige Software kombiniert aus den bis zu acht Einzelbildern ein hochauflösendes Gesamtbild und übernimmt dabei auch die Kalibrierung der Systeme sowie die Zeit- und Bildsynchronisation. MFS-Systeme sind zudem beliebig skalier- und kombinierbar. So lassen sich über die Software sogar mehrere MFS-Kameras wiederum wie ein einziges Kamerasystem bedienen.

Für die Anwendungsfelder Videoüberwachung und Videobeobachtung bedeutet dies, einen sehr großen räumlichen Zusammenhang in hoher Auflösung auf einem einzigen Bildschirm überblicken zu können. Bei Bedarf können Systembediener per Mausklick beliebig viele Zoom-Fenster öffnen. Somit bleiben auch komplexe Situationen unter Kontrolle oder verschiedene Interessengruppen – wie etwa bei einem Flughafenvorfeld – können sich die für sie wichtigen Teilbereiche „herauspicken“.

Im Endeffekt handelt es sich beinahe um „virtuelle“ PTZ-Systeme in theoretisch unbegrenzter Anzahl. Für die Nachverfolgung in der Überwachung hat die MFS-Technologie den Vorteil, dass sie den gesamten Bildbereich in der zuvor festgelegten Mindestauflösung aufzeichnet, sodass keine Informationen, zum Beispiel für die forensische Auswertung verloren gehen. Für die Analytik schließlich verspricht die MFS-Technik, mit wesentlich weniger Systemen eine gleichbleibende Mindest-Datenqualität für die Analyse großer räumlicher Zusammenhänge zur Verfügung stellen zu können.

Es kommt darauf an, welches Kamerasystem den größten Kundennutzen bietet

Konventionelle Techniken haben natürlich weiterhin ihre Berechtigung – seien es extreme Anforderungen an die Detailauflösung, die sich nur mit PTZ-Systemen erfüllen lassen, oder Situationen, bei denen ein großer Gesamtüberblick ohne hochauflösende Details, zum Beispiel im hinteren Bildbereich, ausreicht. Bei der Kombination beider Anforderungen – und vor allem wenn es darum geht, große Bereiche mit einer definierten Mindestauflösung über die gesamte Fläche abzubilden – kann die MFS-Technologie allerdings ihre Vorteile sowohl beim Erreichen der Sicherheitsziele als auch bei den Kosten ausspielen. Und zwar trotz hoher Preise für Einzelsysteme, die sich allerdings durchaus noch im Bereich von High-End-Megapixel-Systemen bewegen. Sicherheitsverantwortliche, zum Beispiel von mittleren und großen Unternehmen, Stadionbetreiber oder Stadtverwaltungen können somit ausgedehnte Bereiche mit einer deutlich geringeren Zahl an Systemen erfassen. Die Polizei in Köln beispielsweise benötigt für die Überwachung und Beobachtung der rund 9.000 Quadratmeter großen Kölner Domplatte lediglich acht MFS-Systeme an zwei Installationspunkten. Der Hersteller Dallmeier spricht im Durchschnitt von bis zu 24 Einzelkameras, die durch ein MFS-System ersetzt werden können. So reduzieren sich die Gesamtkosten – vor allem durch die Einsparungen bei der Infrastruktur, In-
stallations- und den Betriebskosten –, und die MFS-Technologie stellt sich für viele Anforderungen als interessante, innovative Alternativ-Technologie mit einem klaren Kundennutzen dar.  

Josua Braun, Product Marketing Director, Dallmeier electronic GmbH & Co. KG


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