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Den Eventveranstaltern geht es, wie anderen, in der Coronakrise nicht gut. Seit Mitte März sind alle Veranstaltungen (Musik, Sport, Kultur) verboten, bis Ende Oktober 2020 soll das Verbot bestehen bleiben. Fachleute gehen davon aus, dass dieses Jahr keine Veranstaltungen mehr stattfinden werden. Die staatlichen Förderrichtlinien des Bundeswirtschaftsministeriums haben diese Branche wohl vergessen. Michael Molt, Geschäftsführer des Hamburger Event- und Großveranstaltungsunternehmen U-Need GmbH, beschreibt in einem Interview mit der ASW Norddeutschland die momentane Situation.
ASW Nord: U-Need ist darauf spezialisiert Großveranstaltungen in der Musikbranche, Festivals und Konzertveranstaltungen professionell vorzubereiten und durchzuführen und diese zudem mit eigenem qualifizierten Personal zu besetzen. Wie geht es derzeit Ihrem Unternehmen und darüber hinaus der gesamten Branche?
Michael Molt: Nun, leicht beantwortet – schlecht. Wir sind jetzt im Juli – im Juni, hätten wir fünf Festivals (Greenfield – Interlaken, Elbjazz – Hamburg, Hurricane – Scheessel, Southside – Tuttlingen und auch das Deichbrand – Cuxhaven) zu betreuen gehabt und würden einen Umsatz von ungefähr vier Millionen Euro gemacht haben. Wir hätten rund 2.500 Menschen im Einsatz gehabt und hätten allein mit diesen Festivals dazu beigetragen, über 200.000 Menschen Freude zu bereiten.
Nicht nur unsere Branche (Planung, techn. Personal, Sicherheitspersonal) ist ohne Beschäftigung, wir mussten auch bei sämtlichen Bühnenverleihern, Ton/Lichtverleihern, Stromaggregatevermietern und anderen die Aufträge stornieren.
In der Krise Mitarbeiter in anderen Bereichen eingesetzt
Wie sieht es im Bereich Veranstaltungsschutzes aus?
Wir haben durch massive Akquise tatsächlich in den ersten beiden Monaten fast unsere gesamten Vollzeitmitarbeiter in Supermärkten und Notfallpraxen einsetzen können. Durch die Wiederaufnahme der Fußballspiele konnten wir zumindest all 14 Tagen einen Teil unserer Aushilfskräfte einsetzen. Weiterhin haben wir beim Aufbau und der Betreuung von Autokinos mitgeholfen.
Die Lage an den Supermärkten und Praxen hat sich inzwischen entspannt, und die 2. Bundesliga geht in die Sommerpause, daher erwarte ich für Juli und August nahezu Nullbeschäftigung.
Eventveranstalter plädieren für kleine Veranstaltungen
Welche Unterstützung erwarten Sie von der Politik und aus der Wirtschaft?
Ich bin bisher mit der Arbeit der Bundesregierung und des Hamburger Senats sehr zufrieden gewesen. Es wurden gewaltige Hilfspakete schnell auf den Weg geschickt, wir haben neben der Soforthilfe auch problemlos einen KfW-Kredit bewilligt bekommen. Ich bin jedoch über die Verlängerung des Veranstaltungsverbotes bis zum 31.10.2020 mehr als irritiert. Selbst wenn die Regierung eine kleine Hintertür offen gelassen hat, sendet sie mit diesem Datum das falsche Signal. Die aktuellen Infektionszahlen und Genesungszahlen weisen eine Lücke von ungefähr 8.000 infizierten Menschen bundesweit aus. Es finden Demonstrationen mit bis zu 40.000 Menschen statt, die Parks sind voll mit Menschen, und Wochenmärkte sind erlaubt. All dies seit mindestens drei Wochen ohne eine signifikante Steigerung der Infektionszahlen (wenn man von einzelnen Hotspots absieht). Jetzt werden Menschen für Stunden auf engem Raum in Ferienfliegern nebeneinander sitzen.
Es ist mir unverständlich, warum nicht zumindest kleine Open-Airs oder Stadtfeste erlaubt werden. Wir in der Veranstaltungsbranche sind es gewohnt, Publikumsdaten zu erheben und Menschenmassen zu kanalisieren. Ich finde die Entscheidung grundfalsch und hätte mir eine deutlichere Differenzierung gewünscht. Ich stelle mir auch die Frage, welche Parameter erfüllt sein müssen, damit Veranstaltungen wieder stattfinden können. Die Unsicherheit über die Länge des Veranstaltungsverbots zermürbt meine Bürobelegschaft und auch meine operativen Mitarbeiter. Weiterhin macht sie Planungen und Investitionen in die Zukunft zu einem reinen Glückspiel.
Anfang 2019 haben Sie eine interne Schulungsreihe „Wissen macht glücklich“ eingeführt, darunter auch die Vorbereitung auf die Sachkundeprüfung nach § 34a der Gewerbeordnung. Ruht Ihr Schulungsprogramm derzeit?
Bisher war das aufgrund der Abstandsregeln nicht möglich, wir hatten jedoch geplant, den Schulungskalender ab Juli wieder zu aktivieren. Durch die Aussage der Politik werden wir den Startpunkt nun vermutlich um mehrere Monate nach hinten verschieben, weil wir nicht einschätzen können, ob uns die beschulten Mitarbeiter zum Veranstaltungsstart noch zur Verfügung stehen oder sich alternative Beschäftigungen gesucht haben.
Wunsch nach zeitlicher Perspektive
In der Nacht vom 22.6. auf den 23.6. leuchteten im Rahmen der europaweiten Aktion „Night of Light“ in vielen Städten, auch in Hamburg, Gebäude in rotem Laserlicht. Es geht um Forderungen nach einem konstruktiven Dialog mit der Regierung über ein Rettungspaket. Haben Sie mitgemacht?
Wir haben andere Firmen unterstützt, jedoch keine eigenen Inhalte geliefert. Wir sind leider der Ansicht, dass unsere Branche keine Lobby in der Politik hat und auch tolle Aktionen wie „Night of Light“ hauptsächlich dem eigenen Gemüt gut tun, jedoch politisch keine Schlagkraft entwickeln. Wir benötigen auch kein Rettungspaket, sondern verbindliche Aussagen, nach welchen Kriterien eine Aufhebung des Veranstaltungsverbotes möglich ist und wann das sein könnte.
Die Veranstalter der Show sagen: Wenn nicht jetzt gehandelt wird, überleben Unternehmen in der Veranstaltungsbranche die nächsten 100 Tage nicht. Trifft dies auch auf Ihr Unternehmen zu?
Wir haben immer ordentlich gewirtschaftet und können auch über den Jahreswechsel hinaus unsere Verbindlichkeiten bedienen. Wir wissen aber nicht, mit wie vielen Mitarbeitern wir dann noch planen können.
Mussten Sie Mitarbeiter entlassen?
Wir haben bis dato niemanden entlassen und wollen das auch nicht tun. Wir haben aber ungefähr 25 befristete Verträge gegenwärtig nicht verlängert.
Auswirkungen auf die Gesellschaft
Wenn dieses Jahr alle Veranstaltungen abgesagt werden, wie wirkt sich dieses Vakuum auf die gesamte Kultur in unserer Gesellschaft aus?
Bereits die Römer wussten, dass man dem Volk „Brot und Spiele“ bieten muss, um es bei Laune zu halten. Das Brot wird gerade bei vielen Menschen knapp, Spiele (Kultur) gibt es gar nicht. Es ist daher nicht verwunderlich, dass Kriminalität in den eigenen Wänden, Respektlosigkeit gegenüber Ordnungshütern und sogar vermeintlich grundlose Ausschreitungen zunehmen. Ich bin kein Soziologe, bin jedoch der Ansicht, dass diese Ereignisse miteinander verwoben sind.
Was wünschen Sie sich an Unterstützung durch die Fachverbände in der der Wirtschaft?
Unsere Verbände tun bereits eine Menge. Es stellt sich mir eher die Frage, ob sie sich genügend Gehör verschaffen können, um Aussagen zu bekommen, die unsere Planungssicherheit erhöht
(Das Gespräch führte der Pressesprecher der ASW Nord, Klaus Kapinos)
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