Kommunales Sicherheitsmanagement

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Erfolgreiches kommunales Sicherheitsmanagement, gezeigt am Beispiel der Stadt Essen.

Ein kommunalen Sicherheitsmanagement bewirkt, dass urbane Sicherheit in Kooperation mit verschiedenen Beteiligten umgesetzt wird. Im ersten Teil dieses Beitrags (PROTECTOR 1-2/2020, S. 56 f.) wurde die Entwicklung der Sicherheitsverwaltung im kommunalen Raum betrachtet und die These „Kommunales Sicherheitsmanagement darf die Kernaufgaben kommunaler Sicherheit nicht vernachlässigen“ erläutert. Nun folgen die weiteren Thesen:

These 2: Die Stadt muss ihre Rolle als strategischer Partner in der Gruppe der Sicherheitsakteure neu definieren.

Eine Stadtverwaltung ist auch auf dem Feld der urbanen Sicherheit ein „Gemischtwarenladen“. Eine vielleicht zu oberflächliche, aber doch interessante Parallele fällt bei einem Blick auf die Seite des „Departments for Homeland Security“ der USA auf. Die „Topics“ des Innenministeriums der Vereinigten Staaten sind unter anderem das gesamte Feld des Katastrophenschutzes (Disaster and Emergency Management), der Schutz der Kritischen Infrastruktur (Critical Infrastructure Security), die IT-Sicherheit (Cyber Security), die Extremismusprävention (Preventing Terrorism), die Organisation der Migration (Immigration and Customs Enforcement) und – ganz wichtig – der Wirtschaftsschutz (Economic Security).

Amerikanische Sichtweise

Auf der amerikanischen kommunalen Ebene spricht man übrigens mit Blick auf die gennannten Aufgaben von „Hometown Security“. Mag die Parallele zur kommunalen Aufgabenträgerschaft auch Zufall sein, so ist doch nicht zu verhehlen, dass damit eine neue Sichtweise auf die kommunale Sicherheitsproduktion möglich ist. Zentraler Kernpunkt dieses neuen Denkens ist die Verwundbarkeit moderner Gesellschaften, insbesondere der Städte als hochkomplexe Lebensräume. Die hochgradigen Vernetzungen und Verflechtungen, auf denen das Leben und der Reichtum postindustrieller Gesellschaften beruhen, werden als Schwachstellen und potenzielle Angriffspunkte identifiziert. Die informations-, kommunikations-, versorgungs- und verkehrstechnischen Strukturen gelten als verwundbar, die zirkulierenden Menschen- und Warenströme als gefährdet oder als potenziell gefährlich.

Zur wesentlichen Aufgabe eines Sicherheitsmanagements wird es, die Leistungsfähigkeit „vitaler Systeme“ aufrechtzuerhalten. Mit einer solchen Sichtweise muss nach meinem Dafürhalten eine Neupositionierung der Städte als „Produzenten von Sicherheit“ einhergehen. Die Städte sind sicherlich auf vielen Feldern gut aufgestellt. Die Feuerwehr als Träger des Zivil- und Katastrophenschutzes, das Jugendamt, aber auch Institutionen wie „Wegweiser“ als Experten im Rahmen der Extremismusprävention sind Garanten für ein gutes Sicherheitsmanagement. Aber viele der genannten Felder liegen noch brach, sind im kommunalen Denken unbeachtet.

Ein Beispiel für ein sicherheitspolitischen Brachland ist die Kritische Infrastruktur. Gibt es eine Kommune, die diesem Hochrisiokobereich in der Fläche die notwendige Aufmerksamkeit geschenkt hat,
die umfassende Strategien erarbeitet, Kooperationsvereinbarungen mit den Trägern der Kritischen Infrastruktur geschlossen und regelmäßige institutionenübergreifende Krisenstabsübungen durchgeführt hat? Ähnliches gilt übrigens auch für das Feld der IT-Sicherheit; hier gibt es selbstverständlich viele technische Sicherheitskomponenten in den Städten, aber insbesondere auf dem Feld der „Awareness“ und „Continuing Management“ ist Brachland eher die Regel und nicht die Ausnahme.

Kommunales Sicherheitsmanagement mit vernetzten Akteuren

Die Städte müssen somit ihr Verständnis von Sicherheitsmanagement deutlich erweitern. Sie müssen ihre Handlungsfelder neu ordnen und die oft nebeneinander handelnden Akteure besser vernetzen. Sie müssen eine überzeugende Strategie für eine resiliente Stadt entwerfen, umsetzen und kommunizieren. Sie müssen die „verletzliche“ Stadt gegen zukünftige Bedrohungen stärken und lernen, in Krisen das Richtige zu tun. Sie müssen das Kooperationsmanagement mit den bestehenden Partnern vertiefen und mit neuen – insbesondere auch privaten Partnern – einüben.

Eine Stadt, die ein solches Verständnis von zukünftigen Bedrohungen entwickelt und sich transparent, systematisch und kompetent aufstellt, wird Vertrauen schaffen, Vertrauen in die Leistungs- und Unterstützungsfähigkeit bei der Bewältigung von Krisen. Eine solche Stadt hat einen nicht zu unterschätzenden Standortvorteil.

These 3: Die Stadt muss den Wirtschaftsschutz als neues Produkt ihrer Sicherheitsleistungen ausformen.

Diese These weist eine kleine Übertreibung auf. Bei der Aufzählung der parallelen Aufgaben von Kommunen und US-amerikanischem Innenministerium wurde der Wirtschaftsschutz (economic security) ganz selbstverständlich genannt. Dem ist natürlich mitnichten so. Der Wirtschaftsschutz ist keine kommunale Aufgabe. Dafür fühlt sich die Stadt nicht zuständig. Und viele Ordnungsdezernenten würden auch mit großem Unverständnis reagieren, wenn man ihnen vorschlagen würde, auf diesem Sicherheitsgebiet Verantwortung zu übernehmen.

Zuständigkeiten klären

Aber wer ist dann zuständig? Die Polizei? Natürlich! Als Strafverfolgungsbehörde würde sie Straftaten gegen ein Unternehmen und natürlich von einem Unternehmen ausgehend verfolgen. Sie würde in einem gewissen Rahmen auch Präventionsleistungen erbringen. Da wäre noch der Verfassungsschutz. Allerdings dürfte den meisten Unternehmen, aber auch kommunal Verantwortlichen die Zuständigkeit des Verfassungsschutzes gar nicht bekannt sein. Weitere Behörden, wie zum Beispiel das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, sind in Fällen von Cyberkriminalität sicherlich auch wichtige Ansprechpartner. Und natürlich muss die Wirtschaft auch für ihre eigene Sicherheit sorgen und tut dies auch. Die Allianz für Sicherheit in der Wirtschaft, aber auch weitere Verbände und natürlich die Unternehmen selber tragen Verantwortung für ihre eigene Sicherheit.

Hier sei nochmals auf das Beispiel, wie die Städte Problemimmobilien bekämpfen, verwiesen. Lange Zeit waren die Kommunen machtlos. Erst durch die Etablierung eines umfassenden Kooperationsmanagements konnte das Problem wirksam bekämpft werden. Gleiches gilt übrigens für fast alle Konstellationen komplexer Sicherheitsprobleme. Und damit sind die Kommunen im Boot. Denn die Kommunen und ihre Wirtschaftsförderung haben den direkten Zugang zu „ihren“ Unternehmen. Sie sind die Türöffner in den Städten, sie sind die Übersetzer der Unternehmensinteressen gegenüber den Sicherheitspartnern, sie verstehen beide Seiten in ihren Interessen und Zwängen und können damit die Rolle des „ehrlichen Maklers“ erfolgreich wahrnehmen. Und sie – auch das soll Erwähnung finden – sind selber ein „Unternehmen“, das sich schützen muss.

Und somit konnte man die Stadt Essen auch sehr schnell überzeugen, als der ASW Bundesverband und die ASW West vor einiger Zeit anfragten, ob die Stadt sich an einem Pilotprojekt beteiligen wolle, um insbesondere den Wirtschaftsschutz in den kleinen und mittelständischen Unternehmen zu fördern. Und so sehen die am Projekt beteiligten Partner den Mehrwert für die beteiligten Unternehmen: (sicherer) Informationsaustausch, Erweiterung der Netzwerke, vertrauensbildende Maßnahmen zwischen Unternehmen und Behörden, Erkenntnisgewinn durch Erprobung neuer Formate (zum Beispiel „Hotline Wirtschaftsschutz“), Schaffung eines gemeinsamen Lagebildes von Behörden und Unternehmen „Sicherheit in Essen“, juristische Begleitung zur Sicherstellung von Compliance und Governance, Etablierung neuer Kooperationsmodelle, Stärkung der Zusammenarbeit mit Hochschulen. Die Liste ließe sich fortsetzen.

Schaffen wollen die Partner gemeinsam ein „Ökosystem Unternehmenssicherheit“ und damit auch einen Standortvorteil für den Wirtschaftsstandort Essen.

Sicherheit als Standortvorteil

Oberbürgermeister Dr. Wolfgang Reiniger hat dem Autor als damaligem Berufseinsteiger einen wichtigen Leitsatz mitgegeben: „Geld, das man als Stadtverwaltung ausgibt, muss man vorher eingenommen haben.“ Hört sich trivial an, ist im Denken des öffentlichen Dienstes aber leider nicht selbstverständlich. Von daher muss sich zumindest jede Führungskraft in einer Kommune (auch) als Wirtschaftsförderer verstehen und im Rahmen der Gesetzes wirtschaftliches Handeln ermöglichen und nach Kräften fördern. Sicherheit ist jetzt schon ein wesentlicher Standortvorteil und in Essen bald noch mehr.

Christian Kromberg, Geschäftsbereichsvorstand Allgemeine Verwaltung, öffentliche Sicherheit und Ordnung der Stadt Essen


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